Große gesellschaftliche Aufgabe

26.03.2017 CJD Elze « zur Übersicht

Die westliche Welt muss sich auf eine wichtige Aufgabe einlassen: Die Bedrohung, die durch islamistische Organisationen entstehen kann, darf nicht nur durch die Arbeit von Sicherheitsbehörden bekämpft werden, sondern die Gesellschaft muss Präventions- und Rückführungsprogramme erarbeiten und einsetzen. Zu diesem Schluss konnten die Gäste des Round Table des CJD Elze am letzten Donnerstag kommen, als Alfred Müller, Deutsch- und Politiklehrer am CJD und anerkannter Experte auf dem Gebiet, seinen Vortrag zum Thema: „Salafismus – Eine Bedrohung für Europa?“ hielt. Müller begann seinen Vortrag mit einer kurzen Erläuterung zu den historischen Wurzeln des Salafismus und erklärte, dass Salafisten als „extreme Vertreter des politischen Islams“ gelten, die als grundsätzliche Forderung die Rückkehr zur ihrem „goldenen Zeitalter“ des Islams anstreben. Dieses ist im siebten Jahrhundert angesiedelt und bezieht sich auf die drei Generationen nach der Islamgründung. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die strikte wörtliche Auslegung aller Quellen des islamischen Rechts. Nationalstaaten werden dabei nicht anerkannt, nur die Gemeinschaft der Gläubigen verbindet die Muslime. „Salafisten teilen die Welt ein in das Haus des Friedens, also ihre Gemeinschaft, und das Haus des Krieges, also die Gemeinschaft der Feinde. Da es aber Verbindungen und Kontakte zu Ländern anderer Glaubensrichtungen gibt, nennen sie diese Gemeinschaft auch das Haus des Vertrags“, erklärte der Referent. Er beschrieb daraufhin drei Formen des Salafismus: die puristische, von der Mehrheit praktiziert, deren Anhänger einfach ihre Religion ausleben wollen, die politische, die ihre Ansichten missionarisch verbreiten will und dabei Gewalt als Mittel nur unter bestimmten Umständen akzeptiert, und die dschihadistische Form, die den ‚wahren Islam‘ wieder stark sehen, dabei weltweit Angst und Schrecken verbreiten will und langfristig die Wiedererrichtung des Kalifats und die Weltherrschaft unter der Scharia anstrebt. Dabei ist mit ‚Kalifat‘ die Form eines islamischen Gottesstaates gemeint, in der die religiöse und politische Führung in einer Person vereint sind, die dann als Stellvertreter Gottes gilt. Das erste Kalifat entstand direkt nach dem Tod des Propheten Mohammed. Laut Müller sind nur 0,4% aller Salafisten Anhänger dieser Richtung. „Ein entscheidendes Problem für Europa ist die Attraktivität des Neo-Salafismus für junge Menschen“, so Müller. Insbesondere die oft fehlende Perspektive für diese oder auch der Wunsch, Teil einer Gemeinschaft zu sein oder Aufstiegschancen zu haben, seien die Punkte, an denen salafistische Anwerber anknüpften. Die in europäische Staaten in den letzten Jahren erfolgte Zuwanderung böte den Anwerbern, die sowohl auf den Straßen als auch über das Internet aktiv seien, eine große Angriffsfläche. „Diese Menschen, die als oft hochgradig ausgebildete Menschen auch zu uns gekommen sind, sind nun meist zur Untätigkeit verdammt oder sehen keine Möglichkeiten, die Situation ihrer Familien zu verbessern.“ Hier seien die Gesellschaften aufgefordert, aktiv zu handeln und Integration sowie insbesondere auch Wertevermittlung zu betreiben. „Selbst Vertreter muslimischer Organisationen fordern uns dazu auf, diese Bemühungen zu verstärken. Wir haben eine Gesellschaft mit unschätzbaren Werten, Freiheiten und Möglichkeiten; diese Ideen den Menschen, die mit solchen Formen der demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten überhaupt nicht vertraut sind, näher zu bringen, ist eine der wesentlichen Aufgaben, die wir übernehmen müssen. Der Umgang damit darf nicht allein den Sicherheitsbehörden überlassen werden“, appellierte er leidenschaftlich. Er nannte dazu die Namen einiger bereits bekannter Projekte, die sich z.B. um die Rückführung junger radikalisierter Menschen („Hayat“) oder um die Dialog- und Bildungsarbeit mit Jungen aus allen Herkunftsbereichen („Ibrahim trifft Abraham“) kümmern. „Der dschihadistische Salafismus wird uns noch eine Weile begleiten, die Bedrohung ist real“, schloss Alfred Müller seinen Vortrag. „Deshalb ist es wichtig, dass sich alle gemeinsam der Aufgabe stellen. Alle, die in Bildungs- und Ausbildungsbereichen arbeiten, müssen geschult und gut auf diese Aufgabe vorbereitet werden. Und ein wesentlicher Bestandteil ist der Einbezug der muslimischen Organisationen.“ In der spannenden anschließenden Diskussion konnte der Experte auch weitere dringende Fragen seines durchweg engagierten Publikums klären, und nach zwei ausgesprochen informativen Stunden waren viele neue Denkansätze geschaffen.